Ein Besuch in der Stadtbibliothek
- Laura
- 1. Nov. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Nov. 2020
Nichts ahnend, was mich erwarten würde, ging ich an einem sonnigen Augustmorgen in die Stadtbibliothek um einen zuvor erhaltenen Gutschein für eine Gratis-Mitgliedschaft einzulösen.
Erwartet hatte ich eine eingestaubte Altbücher-Lagerhalle. Denn wer geht in unserer digitalen Welt noch in eine Bibliothek? Meine Skepsis sollte sich bald in Staunen verwandeln. Es begrüsste mich eine moderne und gut sortierte Bibliothek. (Warum hatte ich mir in den letzten Jahren bloss alle Bücher selbst gekauft?) Genau genommen hatte mich nicht nur der kürzlich erhaltene Gutschein bewogen, der Bibliothek einen Besuch abzustatten, sondern „die Tonies“ welche hier zum Ausleihen angeboten werden sollten. Wer sich jetzt fragt was denn „Tonies“ sind und was eine Toniebox ist, braucht sicher nur seine Kids zu fragen *lach*. Denn dieser neuartige „Kassettenrecorder“ ist der neuste Schrei in den Kinderzimmern.
Auf die Frage, ob die Kids diese teure Box wirklich benötigen, würde ich antworten: „genauso wenig wie all die anderen Spielsachen welche sich im Überfluss in den heutigen Kinderzimmern tummeln“. Denn genau genommen tut es in der Tat auch der Kassettenrekorder aus unseren Kindertagen. Im vollen Bewusstsein über diese Tatsache habe auch ich trotzdem vor ein paar Tagen diese Revolution der Hörspiel-Welt gekauft und wollte nun „Tonies“, das sind die einzelnen Hörspiele, in der Stadtbibliothek ausleihen.
Mehr oder weniger by the way hatte ich die nette Angestellte der Stadtbibliothek auch noch nach Büchern aus anderen Rubriken gefragt. Kinderbücher in Spanisch (mein Sohn ist Halb-Venezuelaner) und der Klassiker: Diät-Rezeptbücher (damit Mami ihre Figur vor der Schwangerschaft wieder erreicht. Wobei genau genommen auch diese nicht der Masse 90 - 60 - 90 entsprach.
Soweit so gut. Wäre da nicht meine Frage an die Dame in der Bibliothek nach „ach und wo finde ich die Ratgeber zum Thema alleinerziehend?“, gewesen.
Mit grossen Augen schaute die nette Angestellte der Bibliothek mich an – nicht so, als ob sie zum aller ersten Mal das Wort „alleinerziehend“ gehört hätte, aber ein Buch über dieses Thema? Gibt es denn sowas? Ihre spontane Antwort war dementsprechend „Wir führen keine Ratgeber zu diesem Thema“.
Zugegeben – auch ich bekam grosse erstaunte Augen – denn ist es nicht so, dass es heutzutage zu Allem Ratgeber gibt? Sogar über die Funktion des Darms: „Darm mit Charme“. Nichts für Ungut Giulia Enders (Autorin dieses wirklich spannenden und sehr empfehlenswerten Buches - insbesondere das Hörbuch).
Bei der Suche nach den Ratgebern zum Thema Abnehmen wurde ich hingegen sehr schnell fündig – wobei hier eher die Auswahl das Problem war. Auch fand ich eine wenn auch kleine Auswahl an spanischen Kinderbüchern. Und zu meiner Freude, einen separaten Gang mit vielen Tonies.
Die nette Dame aus der Bibliothek wollte sich dann aber nochmals vergewissern. Während sie etwas verzweifelt versuchte in ihrem Computer und dessen Bibliotheken-Register doch noch einen Ratgeber zum Thema Alleinerziehend zu finden, erwähnte sie beiläufig zahlreiche Bücher welche speziell für Väter betreffend den Umgang mit Kindern geschrieben wurden. (haha, dachte ich mir und fragte mich, weshalb rund um den Globus alle der Meinung sind, dass Mütter allwissend auf die Welt gekommen sind und nie eine Bedienungsanleitung für den Umgang mit den Kleinen bräuchten - falls jemand eine hat, ich hätte Bedarf).
Die laute Stimme der Bibliothekarin holte mich aus meinen Gedanken wieder zurück in das Hier und Jetzt. (Dank der lauten Stimme kannte zwischenzeitlich die gesamte Bibliothek meine Situation. Zum Glück hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon gelernt, dass Alleinerziehend zu sein nichts ist, wofür ich mich schämen müsste, nicht wahr?!)
Sie schob ihre Brille, welche sie für die Recherche von ihrer äusseren Nasenkante direkt vor die Augen geschoben hatte, nun wieder zurück und bestätigte mir, dass die Bibliothek de Fakto keinen Ratgeber führen würde. Sie wirkte dabei etwas unbeholfen und selbst etwas verwundert darüber - umso länger sie darüber nachdachte.
Mich ärgerte derweil, dass ich Ratgeber für Alleinerziehende somit in der frei zugänglichen und kostenlosen Angebot der Bibliothek nun vergebens gesucht hatte. Denn ich meine, ich habe nicht nach einem Buch speziell für Alleinerziehende mit Kleinkindern oder Alleinerziehende nach dem Tod eines Partners oder etwa für Alleinerziehende in der Schwangerschaft gefragt. Nein - einfach nur Ratgeber zum Thema „Alleinerziehend“ im Allgemeinen. Dass es dann nicht ein einziges Buch über dieses weit verbreitete Thema in der gesamten Bibliothek gab – damit hatte ich ehrlicherweise nicht gerechnet. Schon eher damit, dass es einen ganzen Gang mit Ratgebern zu diesem aktuellen Thema geben würde. Aber wie gesagt, da war keines – Kein einziges!
Sie setzte dem Ganzen, ungeahnt dessen was sie damit bei mir, neben meinem Ärger noch auslösen würde, noch einen drauf und lies mich wissen, dass sie aber auch noch nie jemand danach gefragt hätte. Mich überzeugte diese Aussage nicht. Nur weil keiner bisher gefragt hatte, heisst es doch nicht automatisch auch, dass der Bedarf nicht da ist, oder doch?!
Etwas geknickt und traurig verliess ich schlussendlich mit den Diätbüchern, spanischen Kinderbüchern und den zahlreichen Tonies die Bibliothek. Von daher gesehen war es ein voller Erfolg.
Wer mich in diesem Moment allerdings angetroffen hätte, hätte kein Lächeln auf meinen Lippen gefunden. Denn einmal mehr, fühlte ich mich an den Rand der Gesellschaft gerückt.
Nicht aufgeben sagte ich mir selbst. Dann schreibe ich halt einfach selber Ratgeber und Geschichten. Denn wenn schon ich nicht von kostenlosen Ratgebern profitieren sollte, dann doch bitte alle meine „Brüder und Schwestern“. Ich begann noch am selben Abend damit, über die alltäglichen Dinge des Daseins als Alleinerziehende zu schreiben und praktiziere es seit dem regelmässig. Der Alltag eines Alleinerziehenden gibt da wirklich viel her – ein richtiger Nährboden für lustige, manches Mal auch traurige, oft aber aufbauende und immer authentische Geschichten, die das Leben quasi von ganz alleine schreibt *lach*. Mittlerweile ist es für mich zu einer Art Ventil geworden, um den Kopf frei zu bekommen.
Beim Schreiben wurde mir dann auch bewusst, dass ich an diesem besagten sonnigen Augustmorgen, wohl insgeheim gar nicht nach einem klassischen Ratgeber mit „null acht fünfzig Tipps“ gesucht hatte. Viel mehr wohl, nach Erfahrungsberichten von anderen Alleinerziehenden. Denn, sind wir doch mal ehrlich – das was uns wirklich hilft, ist zu wissen, dass wir, auch wenn wir uns manches Mal so fühlen, nicht allein in diesem Alleinerziehenden-Boot sitzen.

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