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Meine beste Freundin die Schokolade

  • Laura
  • 1. Nov. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Nov. 2020

Sie ist einfach immer für mich da. Ich liebe sie über alles. Sie begleitet mich schon mein gesamtes Leben. Man könnte sagen, dass ich quasi nicht ohne sie aus dem Haus gehe. So stark ist meine Verbundenheit zu ihr. Und das, obwohl ich ihr sogar schon einige Male Hausverbot erteilt habe. Aber irgendwie schleicht sie sich immer wieder hinein.


Das aktuell grösste Problem, welches ich mit ihr habe ist, dass ich nicht möchte, dass sie meinen Sohn kennen lernt und diesen ebenso wie mich verführt. Sie ist wirklich toll und ich liebe sie abgöttisch. Wie aber das Wort Leidenschaft schon verrät, hat diese Liebe auch eine Kehrseite, welche Leiden bringt, und die befindet sich entlang meiner Hüften. Somit sorgt sie Tag für Tag nicht nur für Freude.

Sie tut mir unterm Strich einfach nicht gut. Aber offensichtlich bin ich ihr hörig. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ich süchtig nach ihr bin. Und wie gesagt, möchte ich nicht, dass mein Sohn ebenfalls in diese Abhängigkeit gerät.

Denn entgegen anderer Suchtsituationen, ist diese Art Sucht nach dieser Substanz, nicht als Krankheit anerkannt. Dabei würde ich mich sofort anmelden, wenn es heissen würde: „Selbsthilfegruppe Schokolade sucht neue Mitglieder“.


Ich habe auch schon versucht zu flüchten. Ich bin aus dem hohen Norden Deutschlands in die Schweiz gezogen. Aber sie ist einfach mitgekommen. Das war aber auch nicht schlau von mir, weil hier ist sie ja quasi zu hause. Denn ihre Familie und Vorfahren leben allesamt hier.

Ich schaffe es einfach nicht, ihr zu wiederstehen. Und das aus gutem Grund: Sie hilft mir immer – auf sie ist einfach verlass. Und das macht sie zu meiner besten Freundin.

Egal ob es mir gut geht und ich mich belohnen möchte oder es mir schlecht geht und jemanden brauche, der mich wiederaufbaut. In diesen Fällen rückt sie nicht mehr von meiner Seite bis es mir wieder besser geht. Die Liebe geht soweit, dass sie beispielsweise meine Motivation ist, für das Joggen. Sie erscheint dann vor meinem geistigen Auge, sodass ich es schaffe noch etwas weiter zu laufen. Ich werde sie einfach nicht los.


Grad als Alleinerziehende brauche ich meine Momente der Belohnung. Und meine Belohnung ist halt meine beste Freundin die Schokolade. Und auch brauchen wir Alleinerziehenden von Zeit zu Zeit Trost sowie im herausfordernden Alltag auch mal einfach eine Umarmung. Das alles bietet mir die Schokolade.

Bis zur Schwangerschaft mit meinem Sohn sah ich in dieser Liebe auch kein Problem. Doch dann sagte der Arzt zu mir, dass ich den Kontakt zur Schokolade massiv einschränken sollte. Aber das war mir nur bedingt möglich.

Denn neben einer Mobbing Situation und einer kräftezehrenden Stress-Situation mit den Nachbarn, kam noch on top hinzu, dass ich plötzlich alleinerziehend wurde. Hier brauchte ich sie einfach mehr als je zuvor an meiner Seite.

Ohne sie hätte ich das nicht geschafft. Und beim Abwägen, ob nun Schokolade zu essen oder intensive Gefühlsausbrüche das geringere Übel darstellen, hielt ich den glückshormonreichen Schokoladenkonsum in der Tat für das geringere Übel. Denn dafür konnte ich mein Nervenkostüm auf einem konstant fähigem Niveau halten.


Nach der Geburt meines Sohnes war dann quasi vor der Geburt. Denn dann folgten sieben Monate Stillzeit. Abgesehen von einem Umzug mit einem frisch Geborenen. Da war der Zeitpunkt nicht da, meiner besten Freundin die langjährige Freundschaft zu kündigen.

Nach dem Stillen hatte ich zwar meinen Körper wieder für mich und so dachte ich, kann diese Freundschaft wieder endlich so richtig aufblühen. Aber das war nicht der Fall.

Denn jetzt wurde mir klar, dass ich auf meine Gesundheit achtgeben muss und ihr doch die Freundschaft kündigen sollte. Aber alle Versuche, sie los zu werden waren bis heute vergebens. Ich habe mir beispielsweise gesagt: „Ab dem ersten des Folgemonats werde ich sie meiden“. Ich habe es allerdings nicht mal einen einzigen Tag geschafft.


Als neulich jemand im entfernten Bekanntenkreis plötzlich gestorben ist, war das ein absoluter Schock für mich. Zwar kannte ich ihn nur flüchtig, aber er war erst Mitte 20. So jung wurde er einfach aus dem Leben gerissen. Das verrückte daran war, dass er einfach im Schlaf gestorben war. Die genauen Hintergründe habe ich bis heute nicht erfahren.

Nachdem ich von diesem Schock mich etwas erholt hatte, dachte ich darüber nach, wenn mir das passieren würde. Wer erfährt dann, dass mein Sohn in der Wohnung ist und Hilfe benötigt. Wohl Keiner; da in meiner Alleinerziehenden Situation kein Partner nach Hause kommt und ihm helfen könnte.

Vielleicht würde nach einer Woche schätzungsweise eine Freundin mal schauen, aber da wäre es dann zu spät für meinen Sohn. Also ging ich noch am Abend in meiner Panik zum Nachbarn und sagte ihm, wenn mein Sohn mal schreit sollte er bitte unbedingt nachschauen, ob alles in Ordnung sei. Ich sah in den Augen des Nachbarn, dass er es für überzogen hielt. Und ja, auch ich fand mich in dem Moment etwas panisch. Es war mir auch unangenehm, den Nachbarn darum zu bitten, weil ich ihn bis dahin kaum kannte. Aber in dem Moment hatte ich gefühlt keine andere Wahl. Auch die Krippe habe ich gleich am nächsten Tag informiert, dass sie sich bei mir telefonisch erkundigen sollten, ob alles ok sei, wenn ich mein Sohn mal nicht in die Krippe bringe oder ihn nicht krankmelde. Ich hatte nicht gedacht, dass sie dies machen würden, aber diese Krippe ist einfach toll und so versprachen sie mir es zu tun – im Fall der Fälle. So habe ich nun Sicherheiten eingebaut, sodass mein Sohn im Zweifel überleben sollte.


Aus der gleichen Motivation heraus möchte ich die Schokolade meiden. Klar ist Schokolade essen kein schleichender Tot, aber es ist sicherlich auch nicht förderlich für meine Gesundheit. Vor allem weil der extreme Schokoladenkonsum tatsächlich mein einziges Laster ist. Denn ansonsten ernähre ich mich sehr gesund. Auch rauche ich nicht und trinke äußerst selten Alkohol.

Ich möchte aber für meinen Sohn fit bleiben und da braucht es halt ein gesundes Verhältnis zur besten Freundin der Schokolade.

Über den Tag hinweg habe ich es auch im Griff, aber am Abend geht’s meist richtig los. Bis mein Sohn im Bett ist halte ich durch und dann ist mir alles andere egal. Mein Körper schaltet einfach auf den Überlebensmodus. Ich will einfach nur noch die Schokolade in mich hineinstopfen.


Leider habe ich noch keine andre Energie Quelle gefunden. Ob das die starke Schulter einer neuen Liebe wäre oder etwas ganz Anderes? Zumindest helfen die Hausmütter Tipps aus der Neuzeit wie Yoga oder Meditation in diesem Zustand mir nicht. Ich fühle mich quasi tot und kann einfach gar nichts mehr leisten.

Aber so kann es ja auch nicht weitergehen? Denn haufenweise Schokolade essen und das jeden Tag, geht sicher zu Lasten meiner Gesundheit. Und ich bin doch alles, was mein Sohn hat. Da es sich aber wie eine Art Sucht verhält, fällt es mir so schwer mich einzuschränken. Vor allem, weil ich ja die anderen 23 Stunden und 50 Minuten des Tages und der Nacht nur funktioniere. Die 10 Minuten sind dann einfach mein Glücks-Moment.

Also bleibt mir wohl nichts anderes, als den Druck aktuell rauszunehmen und zu hoffen, dass meine Gesundheit dies langfristig verkraftet und die Trennung von meiner besten Freundin auf die Zukunft zu verschieben. Vermutlich wird mir nie eine Trennung gelingen, aber aus dieser besten Freundin eine flüchtige Bekannte zu machen wäre dann schon mein Wunsch.

Aktuell, in meinem Alltag als alleinerziehende brauche ich einfach ein Ventil. Ich brauche jemanden oder etwas das mir Trost spendet, mit dem ich mich zwischendurch spontan belohnen kann. Ich brauche einfach in diesen Tagen noch meine beste Freundin die Schokolade.











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