Spontan und alleinerziehend - passt das zusammen?
- Laura
- 1. Nov. 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Nov. 2020
Er schlug vor, sich heute Abend „spontan“ zu verabreden. Ich sagte sofort zu, weil ich mit meiner rosaroten Brille vor den Augen, von ihm quasi alles annahm, was ich kriegen konnte. Ich hatte ja das Ziel, ihn schnellstmöglich wiederzusehen.
Allerdings wird mir schnell bewusst, dass das „spontan“ nur von seiner Seite her gewollt ist. Übersetzt man sein „spontan“, dann heisst es wohl so viel wie: „mal sehen, ob ich heute Abend Lust habe“ oder „ich möchte mich noch nicht festlegen“. Ich möchte sein „spontan“ aber anders verstehen und so deute ich es als „höchst wahrscheinlich wird es klappen“ und „ich mache alles möglich damit wir uns sehen können“. Tja, die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen – in dem Wort „spontan“.
Für mich als Alleinerziehende ist das Wort spontan allerdings eher das Unwort des Jahres. Denn wie spontan kann ich schon mit einem Kleinkind sein? Ich kann es maximal als spontan aussehen lassen. D.h. ich bin geduscht, rasiert, perfekt frisiert und geschminkt. Natürlich strahlen mein Makeup und meine Haare in einem ganz natürlichen Look. Denn es soll so aussehen wie in einen dieser Blockbaster, wo sie morgens aufwacht und aussieht wie aus dem Ei gepellt. Was es so nur in Filmen gibt, habe ich nun perfekt inszeniert.
Es ist 20:46 Uhr. Die Wahrheit ist, dass ich um diese Zeit gewöhnlich schon längst schlafe und erst recht bin ich nicht mehr geschminkt und schon gar nicht trage ich noch einen BH um diese Zeit. Auch meine Wohnung sieht dann maximal unbewohnbar aus. Denn mein Sohn stellt am Abend nochmals alles auf den Kopf. Um diese Zeit laufe ich dann für gewöhnlich ganz automatisch Slalom durch unsere Wohnung, um nicht plötzlich auf eine Duplo Figur zu treten (was nämlich höllisch weh tut – wie ich aus Erfahrung bereits weiss).
Das vorherrschende Chaos könnte man aber auch anders interpretieren: Für einen Nachbar der sich zu später Stunde vielleicht noch eine Milch für seinen morgigen Kaffee bei mir borgen möchte, könnte es so aussehen, als ob in meinem Kleiderschrank ein nackter Mann hocken würde. Weshalb? Na weil in der gesamten Wohnung Kleidung verteilt liegt. Das beginnt bereits im Flur und erzählt eine aufregende Geschichte bis ins Schlafzimmer zum Kleiderschrank. Schliesslich ziehe ich meinen Sohn, während er in ständiger Bewegung ist, die Sachen vom Tag aus und lege ihm den Schlafanzug an. Und ganz nebenbei mir ebenfalls. Und die Kleider bleiben dann halt genau dort liegen wo sie jeweils den Körper verlassen haben und finden erst am nächsten Morgen ihren Weg in den Wäschekorb.
Aber nicht so heute Abend. Heute Abend habe ich ja zu 100% mein spontanes Date. Ich sitze also da - in Unterwäsche auf meinem Bett. Wenn er kommt (und das wird er, denn er hat mir ja fest spontan zugesagt), brauche ich mir dann nur noch meinen Seiden Bademantel – ganz spontan - überzuwerfen. Sodas ich sagen kann, „oh mit dir habe ich ja gar nicht mehr gerechnet“.
An jedem anderen Abend wäre das natürlich der plüschige rosa-weiss gepunktete Bademantel gewesen. Ein paar Spielsachen habe ich aber Alibimässig am Boden liegen gelassen, damit es so aussieht, als ob ich nicht wirklich noch mit Besuch gerechnet hätte. Meine Wohnung strahlt natürlich sonst auch nie so blitze blank wie es heute Abend der Fall ist. Denn ich bin ja Superwoman und schaffe es neben einem 80% Job, Kindererziehung, und nächtlichem Dauereinsatz, noch zu jeder Zeit den Haushalt vollkommen im Griff zu haben. Und wovon träumt ihr nachts? *lach*
20:51 Uhr – immer noch keine Nachricht von ihm. Ich komme mir irgendwie doof vor. Und die ungebetenen Zweifel sagen auch ungefragt ihre Meinung: Liegt es an mir? Habe ich etwas Falsches geschrieben? Aber diesen Beginn der Abwärtsspirale lass ich nicht zu und sage mir gleich: Stopp. Das geht zu weit. Ich werde jetzt nicht den Fehler bei mir suchen. Ich werde den Fehler überhaupt nicht suchen. Denn es wird einen Grund geben. Entweder ist dieser plausibel oder er findet mich einfach nicht interessant. Ja das kann sein, aber ich werde es jetzt grad nicht erfahren.
Also mache ich mich davon frei was wohl der Grund sei und versuche mich jetzt abzulenken. Abzulenken von diesen intensiven komplett einnehmenden Gedanken. Da ist es doch besser, ich entscheide aktiv, dass ich heute kein Treffen mehr haben werde. Aber ich weiss, dass ich die nächsten Tage keine Zeit für ein Treffen habe. Und frage mich, ob er anders entscheiden würde, wenn er diesen Fakt kennen würde. Aber vermutlich nicht. Einer Absage von mir würde er vermutlich einfach ein „easy“ entgegenbringen (Übrigens mein zweites Unwort des Jahres).
20:58 Uhr – noch immer nichts. Eigentlich bin ich auch verdammt müde. Meine Augen fallen mir schon fast zu. Schliesslich habe ich schon einen sehr langen Tag hinter mir. Aufgestanden – meinen Sohn für die Krippe fertig gemacht – anschliessend in die Krippe gebracht – Vormittags gearbeitet – Mittags lunchen mit einem Arbeitskollegen – Nachmittags weiter gearbeitet – schnell noch Lebensmittel eingekauft – diese ausgeladen und im Kühlschrank verräumt - Wäsche abgehängt – gekocht – meinen Sohn aus der Krippe abgeholt – gemeinsam gegessen – gemeinsam gespielt – Oma angerufen - Zähne geputzt – Schlafanzug angezogen – Buch vorgelesen – Kissenschlacht gemacht – gewartet bis er eingeschlafen ist – fast aus dem Zimmer geschlichen - aber eben nur fast – wieder in den Schlaf gebracht – diesmal erfolgreich aus dem Zimmer geschlichen – geduscht – Wohnung aufgeräumt (bis auf die paar Spielsachen)….
Eigentlich doch eine reife Leistung auf die ich als Superheldin stolz sein kann. Aber ich sehe mal wieder nur die Dinge die ich heute wieder nicht erledigt habe. Das Kinderbuch mit Sound hat noch immer keine neue Batterie (gibt es denn keine andere Kindersicherung als das Batteriefach mit einem Schraubenzieher öffnen zu müssen? Oder möchte man den Eltern hier einfach eine Ausrede liefern, weshalb man das Buch noch nicht wieder mit den nervtötenden Geräuschen ausstatten konnte.) Ach und die neue Rutsche ist auch wieder nicht aufgebaut….
Tja und nun ist es 21:05 Uhr, an der Situation, nichts von ihm zu hören, hat sich auch in den letzten 9 Minuten leider nichts geändert. Das was mich am meisten stört ist, dass ich ein spontanes Date ja auch nicht absagen kann.
Ausserdem war es von seiner Seite ja nur spontan gemeint. Er hätte genauso gut schreiben können, darf ich mich spontan melden? Denn das „ich“ in dem Satz würde dann richtigerweise aussagen, dass er es entscheiden wird. Er hat mir aber das Gefühl gegeben ein Teil der Entscheidung zu sein, denn er sagte: „Lass uns spontan schauen“. Das „uns“ gab mir ein Gefühl das ich einen Einfluss haben würde. Aber diesen habe ich nicht. Und das ist für mich grad unerträglich. Ich muss warten. Das ist zudem nicht gut für mein Ego. Ich möchte nicht in der Warte-Position sein. Daher mache ich jetzt kurzen Prozess und lösche die Nummer.
Was? Werdet ihr sagen, nein, aber es könnte doch … vielleicht wird er ja….
Ja es könnte sein. Aber mit meiner Geschichte wie ich in die Situation der Alleinerziehung gekommen bin, habe ich genügend Enttäuschungen für mein ganzes Leben erlebt.
Das gute an Enttäuschungen ist: das verrät das Wort an sich - „ent-täuscht“ - die Täuschung ist jetzt vorbei. Der Mann der sich mir grad zeigte, ist nicht der, für den ich ihn hielt. Der in diesem Flash-Zustand alles ermöglichen würde, das wir uns wiedersehen könnten. Schade, aber ich setzte an dieser Stelle einen Punkt. Einen Punkt, sodass diese Geschichte damit endet und ein Punkt der ein Neuanfang für jemand anderen überhaupt erst ermöglichen wird.
Völlig überzeugt löschte ich die Nummer, schminkte mich ab und ging zu Bett und konnte zu meiner Überraschung gut schlafen. Mein Handy machte ich lautlos und lies es im anderen Zimmer liegen.
Am nächsten Morgen war die Sache abgehackt. Nachdem ich von der Krippe kam, schaute ich auf das Handy und da war sie dann doch noch - die spontane Nachricht nach der Frage, ob er noch vorbeikommen sollte - um 22:04 Uhr.
Ok zugegeben. Ich war ungerecht. Es zeigt aber auch, wie wenig Lust ich noch auf ein spontanes Date am Abend habe, an dem für mich der Tag schon geendet hat. Denn am nächsten Morgen wartet der Alltag für mich als Alleinerziehende wieder und ich muss parat stehen für all die Aufgaben die der nächste Tag für mich bereit hält. Und hier muss ich ebenfalls bereit stehen für viel Spontanes. Spontane Organisationen, wenn die Krippe anruft und mein Sohn wieder mal krank ist, spontan eine Autofahrt unterbrechen, weil mein Sohn die Windeln voll hat. Spontan über spontan.
Daran kann ich nichts ändern. Bei diesen vielen Dingen auf die ich flexible reagieren muss, möchte ich einfach kein spontanes Date mehr ausmachen.
Das nächste Mal wenn mich ein Mann nach einem spontanen Date fragen würde, werde ich freundlich ablehnen und einen Alternativ-Vorschlag für eine konkrete Verabredung anbieten.
Ihr fragt euch jetzt vermutlich, wie es aber mit diesem Mann weitergegangen ist? Da ich ja nun wieder seine Nummer habe. Stimmt, aber davon werde ich euch ein andermal berichten. Für heute gehe ich jetzt erstmal ins Bett und bin froh darüber diese Geschichte euch in meinem rosa gepunkteten Plüsch-Bademantel geschrieben zu haben, ohne ein warten auf ein vielleicht zustande kommendes spontanes Date.
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